Mein Outing vor meiner Partnerin – Angst, Tränen & Liebe

Mein Outing vor meiner Partnerin

Manche Momente im Leben sind so groß, dass man sie nie vergisst. Mein Outing vor meiner Partnerin war einer dieser Momente – voller Angst, Tränen, aber auch Liebe und Hoffnung.

Der Weg in die Sackgasse

Ich wusste, dass ich so nicht weitermachen konnte. Als Mann konnte ich nicht weiterleben. Ich hatte nur die Wahl: entweder mein Leben zu beenden oder mich zu outen und es zumindest versuchen – einfach ich selbst zu werden.

Ich dachte intensiv über den Suizid nach. Ich sah ihn als vermeintliche Lösung für mein Problem. Wie schön wäre es doch, all den Schmerz und die Depression auf einen Schlag zu beenden? Kein ständiger innerer Kampf mehr, kein Spiegelbild, das ich kaum ertragen konnte. Doch was wäre dann mit meinen drei Kindern und meiner Partnerin, die ich zurücklassen würde? Ich selbst war mir vollkommen egal, weil ich mein Leben so, wie es war, abgrundtief hasste. Aber konnte ich das meinen Liebsten wirklich antun? Die Vorstellung, wie meine Kinder mit so einem Verlust leben müssten, schnürte mir die Kehle zu. Also entschied ich mich für das Outing und den Weg zu meinem wahren Ich – so beängstigend er auch war.

Viele Menschen, mit denen ich später über meine Transition sprach, sagten, ich sei unglaublich mutig gewesen, es durchzuziehen und zu mir selbst zu stehen. Aber ich sehe es anders. Es war nicht Mut, der mich zum Outing vor meiner Partnerin brachte, sondern Schmerz und pure Verzweiflung. Ich war einfach am Ende und konnte meinen bisherigen Weg nicht weitergehen. Es war eine Sackgasse ohne Ausweg.


Die Last, die ich trug

Die Wochen vor dem Outing meiner Partnerin waren geprägt von innerem Chaos. Tagsüber funktionierte ich nach außen hin – arbeitete, spielte die Rolle des Ehemanns und Vaters. Aber nachts, wenn alles still wurde, kamen die Tränen. Ich lag stundenlang wach, starrte an die Decke und fragte mich: Wie lange halte ich das noch aus?

Ich erinnere mich an einen Moment, als ich mit Sarah zusammen auf der Couch saß. Sie lachte über etwas im Fernsehen, und ich zwang mich, mitzuschmunzeln. Aber innerlich war ich wie betäubt. Es war nicht ihre Schuld. Es war meine eigene Mauer, die mich gefangen hielt.

Ich wusste, dass ich ihr die Wahrheit sagen musste. Aber wie erklärt man jemandem, dass man sich im eigenen Körper gefangen fühlt? Dass jeder Tag ein Kampf ist? Ich ging immer wieder mögliche Szenarien im Kopf durch: Vielleicht versteht sie mich. Vielleicht verlässt sie mich. Vielleicht… vielleicht… Die Gedanken ließen mich nicht los.


Das Outing vor meiner Partnerin

Ich glaube, ich habe mindestens vier Wochen darüber nachgedacht, wie ich dieses Gespräch führen sollte. Wie beginne ich nur dieses Outing vor meiner Partnerin Sarah? Wie erklärt man seine Gefühle oder dieses ganze Empfinden, dass ich eine Frau bin? Trotz der langen Vorbereitung gelang es mir nicht, ihr sofort direkt zu sagen, worum es ging. Ich meinte nur, dass ich ihr etwas sehr Wichtiges sagen müsse. Und so fing sie an zu bohren, bis wir uns in eine Art Ja-/Nein-Befragung verstrickten.

Sie fragte mich, ob es etwas mit ihr zu tun habe oder ob ich unzufrieden mit unserer Beziehung sei. „Nein, es hat etwas mit mir zu tun“, antwortete ich. Dann stellte sie die entscheidende Frage: „Worum geht es denn nun?“ Ich flüsterte: „Ich traue mich einfach nicht, es dir zu sagen, weil ich Angst habe, dich deswegen zu verlieren.“ Daraufhin fragte sie: „Bist du schwul?“

„Nein, es ist etwas anderes …“, erwiderte ich leise. Sie überlegte kurz und sprach mir Mut zu: „Sage es mir einfach. Ganz egal, was es ist – ich stehe zu dir. Man kann über alles reden.“ Danach herrschte einen Moment Stille. Es kostete mich all meinen Mut, es auszusprechen. Mit Abstand war dies das schwierigste Gespräch meines Lebens. Schließlich platzte es aus mir heraus: „Ich fühle mich in meinem Körper nicht wohl und hasse ihn.“ Ab diesem Moment war ihr klar, worauf ich hinauswollte.


Tränen und Erleichterung

Dann kam das Outing vor meiner Partnerin langsam in Gang. Ich erzählte ihr, was ich alles heimlich gemacht hatte. Ich erklärte, warum ich mich oft merkwürdig verhielt, nicht aus mir herauskam, mich nur im Dunkeln vor ihr auszog, warum ich mir nie Kleidung kaufen wollte, aber unbedingt auf eine Männerhandtasche bestand. Viele Kleinigkeiten kamen ans Licht, die sich mit meiner Transidentität leicht erklären ließen.

Wir redeten die halbe Nacht. Sie stellte viele Fragen: „Wann hast du das gemerkt?“ – „Warum hast du mir das nicht früher gesagt?“ Ich konnte ihr kaum in die Augen sehen, weil ich so viel Angst hatte, dass sich in ihrem Blick etwas verändern könnte. Doch sie blieb ruhig, nahm meine Hand und sagte leise: „Danke, dass du mir das anvertraust.“

Dieses Gespräch ging nicht nur einen Abend lang, sondern zog sich über eine ganze Woche. Jeden Abend saßen wir in der Küche und redeten. Auch Themen wie unsere Sexualität kamen zur Sprache. Ich erklärte ihr, warum Sexualität für mich immer schwierig war. Denn im Bett hatte ich bisher immer die männliche Rolle gespielt – eine Rolle, mit der ich mich nie identifizieren konnte. Sex fühlte sich für mich nie richtig an.

Wenn du selbst ein Outing vor deinem Partner oder deiner Partnerin planst, können die Erfahrungen anderer hilfreich sein. Auf TransInterQueer e. V. findest du wertvolle Informationen, wie du dich vorbereiten kannst und welche Unterstützung es gibt.


Ein Liebesbeweis, der alles veränderte

Am Ende dieser Woche sagte sie mir schließlich, dass sie definitiv zu mir stehe – völlig egal, ob ich nun Mann oder Frau sei. Und dann tat sie etwas völlig Unerwartetes: Sie machte mir einen Heiratsantrag. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Einen besseren Zeitpunkt hätte es dafür nicht geben können. Für mich war dies der größte Liebesbeweis, den sie mir jemals hätte machen können.

Drei Monate später heirateten wir tatsächlich – sie im roten Kleid und ich im pinken. Aber die Hochzeit ist wieder ein anderes Kapitel, über das ich später schreiben werde …

Das Outing vor meiner Partnerin war mein erstes Coming Out in meinem Leben und zugleich das schönste und schwierigst. Natürlich gehören zu einem Coming-out noch viele weitere Schritte: im Freundeskreis, bei der Familie und am Arbeitsplatz.

3 Tipps für dein Outing vor dem Partner oder der Partnerin

  1. Wähle den richtigen Moment
    Sprecht ungestört und nehmt euch Zeit für ein ehrliches Gespräch.
  2. Teile deine Gefühle offen
    Zeige, wie wichtig dir Vertrauen und gegenseitiges Verständnis sind.
  3. Gib Raum für Fragen
    Dein Outing kann für deinen Partner auch überraschend sein. Geduld hilft beiden Seiten.

Mehr dazu in unserem ausführlichen Coming-Out-Ratgeber.

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